Was heißt denn konservativ? [1/2]

Ich versuchte das Phänomen zu beschreiben, dass Konservative kaum politisch aktiv sind und schon gar nicht Steine werfend demonstrieren. Sie sind auch nicht unter den Aktivisten zu finden, die laut brüllend Änderungen fordern oder Schulen und Redaktionen unterwandern um ihre Ideologie zu verbreiten, bzw. durchzusetzen. Heutige Konservative haben keine heiligen Schriften, keine Bibel, kein „Das Kapital“ oder „Mein Kampf“ dem sie dogmatisch anhängen. Sie möchten Zustände die sich bewährt haben erhalten und stehen Änderungen kritisch gegenüber, bis sich herausstellt, das der geänderte Zustand besser ist als der bewährte Zustand. Konservative vertrauen auf die historische Kontinuität einer Gesellschaft. Sukzessive kleine Verbesserungen werden akzeptiert, wenn sie die Traditionen genau so wie die neuen (meist technologischen) Rahmenbedingungen gleichermaßen berücksichtigen. Sie sind weder einseitig rückwärts noch einseitig vorwärts gewandt.

Geschichtlich entstand der ursprüngliche Konservatismus mit der Gegenwehr der Adligen gegen den Absolutismus bereits im 16. Jahrhundert. Der Adel wandte sich gegen staatliche Gesetzgebung, die zum einen von den Lehren der Bibel abwich und zum anderen ihrer Willkür Grenzen setzte. Auch nach der französischen Revolution (1789-99) verblieb der Adel bei seiner Argumentation, nur jetzt gegen den gesetzgebenden Nationalstaat. Man kann hier durchaus Parallelen sehen zwischen dem mittelalterlichen auf der Bibel basierenden Recht und seinen lokalen Interpretationen und dem immer noch praktizierten Scharia-Recht auf Basis des Koran. (Und die Euro-Islam Reformer meinen, dass die Moslems in ein paar Monaten über 500 Jahre europäische Rechtsentwicklung nachholen sollen. Das wird nicht funktionieren). Der Adel verlor jedoch zusehends an Einfluss und Macht. Auch der Wandel von Agrargesellschaften hin zu Industriegesellschaften machen den im Grunde antikapitalistischen Konservatismus des 16. Jh. obsolet. Ab Mitte des 19. Jh. beschränkten sich die Konservativen auf die Erhaltung ihres Besitzes, gaben die Verteidigung ihres göttlichen, unveränderbaren Rechts auf und waren damit kaum unterscheidbar von den Liberalen. Nach Kondylis gab es Anfang des 20. Jh. nur noch Nationalliberale, die für staatliche Effizienz, Leistung, freie Wirtschaft und so wenig Sozialstaat wie möglich eintraten.

Ich halte eine Neudefinition des Konservatismus für dringend notwendig. Zum einen haben Liberale (ob Links oder Rechts) keine glaubwürdige moralische Position, um sich gegen den Konservatismus des Islam zu wehren. Genauso wenig wehrhaft sind sie gegen die willkürlichen Moral-Definitionen der Neo-Linken, des Gender-Mainstreaming oder der Feministinnen. Zum anderen hat sich mit dem Neo-Liberalismus (Kapital-Feudalismus wäre eigentlich treffender) eine Variante des ursprünglichen Konservatismus etabliert. Der Geld-Adel hat die Definition des Rechts übernommen, indem sie Politiker einkaufen und denen z.B. unverhohlen fertige Gesetze zur Bankenaufsicht in die Hand drücken, um sie im Parlament abnicken zu lassen. Manche führen den Humanismus als moralische Grundposition an, doch hier muss man fragen, welcher der vielen Humanismen gemeint ist. Soll es der „reale Humanismus“ der DDR sein? Der „atheistische Humanismus“ des Karl Marx? Der christliche oder der säkulare Humanismus? Die allgemeine Deklaration der Menschenrechte kann als moralische Grundlage dienen, doch das reicht offensichtlich nicht aus. In der Realität verstößt jeder Staat gegen die Menschenrechte, auch Deutschland, und zwar absichtlich und systematisch, nicht etwa durch ein Versehen oder individuelle Aktionen (Einschränkung der Meinungsfreiheit, politische Gefangene durch Volksverhetzungs-Paragraphen, rechtliche Diskriminierung von Männern und vor allem von Vätern, usw.). Die Menschenrechte sind aber dennoch eine der bedeutendsten Evolutionen im Sinne eines moralischen Rechts.

Jetzt geht’s los. Mein Versuch der Neudefinition des Konservatismus. Das gibt wahrscheinlich mehrere Blogposts, die ich später miteinander verlinke.

Erster Grundsatz des konservativen Weltbilds ist, dass die menschliche Natur praktisch unabänderlich ist. Das beinhaltet die biblische Erkenntnis, dass jedem Menschen das Böse und das Gute innewohnt. Wir sind auch irrational, wissen oft nicht was Gut und Böse ist und lassen uns leicht verführen. Da wir so sind wie wir sind, benötigen wir eine moralische Ordnung, die das Zusammenleben ermöglicht. Diese Ordnung gewährleistet, dass Paare, Familien, Dörfer, Städte und Völker harmonisch miteinander leben können und nicht durch Konflikte immer wieder zerstört werden. Diese moralische Ordnung muss gelernt werden und wird damit begründet, dass sie historisch erfolgreich war. Das Transportmittel dieser Moral-Lehre war traditionell die jeweilige Religion. Schon die alten Griechen, wie z.B. Plato, versuchten die Moral-Lehre auf ein rationales Fundament zu stellen. Sie scheiterten und wurden vergessen. Im Zuge der europäischen Aufklärung wurde das Projekt wieder aufgenommen. Biblische Doktrin, mit dem Hilfsmittel den jeweiligen Herrscher und Gesetzgeber als von Gott eingesetzt zu betrachten, wurde nach und nach durch Bürger- und Menschenrechte abgelöst.

Die Konservativen gehen also davon aus, dass sobald eine solche Ordnung etabliert ist und überwacht wird, nicht mehr viel zu tun sei. Dass dem nicht so ist, und die Gefahr eines inneren Umsturz immer vorhanden ist, fiel Plato schon vor ca. 2.400 Jahren auf, und auch Burke vor 300 Jahren.

Diejenigen, die zu klug sind, um sich in der Politik zu engagieren, werden dadurch bestraft werden, daß sie von Leuten regiert werden, die dümmer sind als sie selbst.
Platon (427 – 348 od. 347 v. Chr.)

Nichts anderes braucht es zum Triumph des Bösen, als daß gute Menschen gar nichts tun.

Edmund Burke (1729 – 1797)

Auch in China wurde das erkannt:

In making judgments, the Early Kings were perfect, because they made moral principles the starting point of all their undertakings and the root of everything that was beneficial. This principle, however, is something that persons of mediocre intellect never grasp. Not grasping it, they lack awareness, and lacking awareness, they pursue profit. But while they pursue profit, it is absolutely impossible for them to be certain of attaining it.

Lü Buwei (246 B.C.)

Auch bei den Römern gab es viele Philosophen die darüber nachgedacht haben. Seneca sagt, dass man moralisches Denken und moralisches Handeln immer wieder üben muss:

Virtue depends partly upon training and partly upon practice; you must learn first, and then strengthen your learning by action. If this be true, not only do the doctrines of wisdom help us but the precepts also, which check and banish our emotions by a sort of official decree.

Lucius Annaeus Seneca (1-65 A.D.)

Im Zuge der Aufklärung (ca. 1650-1800) wurden bewährte Regeln und Gesetze aus der Religion und dem Kirchenrecht herausgelöst und auf eine säkulare Basis des Zivil-, Straf- oder Staatsrechts gestellt. Zusätzlich wurde weiteres weltliches Recht definiert, wogegen sich die ursprünglichen Konservativen, die Adligen wehrten. Der Aufklärung voran ging die Reformation (1374-1648, bzw. 1517-1648 in Deutschland) in der die korrupte Praxis des Ablasshandels der katholischen Kirche ein wesentlicher Anlass war der Kirche zu misstrauen. Schon alleine wegen der nun existierenden religiösen Diversität mussten moralische Regeln auf ein neues Fundament gestellt werden, das aber immer noch hauptsächlich auf den christlichen Moralvorstellungen aus der Bibel beruhte. Doch die Aufklärung war keineswegs eine klare Hinwendung zu Rationalität und Vernunft, sondern wurde von theologischen Scharlatanen, wirtschaftlichen Interessen und Machtgelüsten der Herrschenden ge- und missbraucht.

Ein Beispiel ist der „alte Fritz“, der wie schon sein Vater, dem dünn besiedelten Preußen weitere Einwohner (Steuerzahler und Soldaten) beschaffen wollte. (Von ca. 1680 bis 1780 wuchs die Bevölkerung von Preußen von ca. 1,5 Millionen auf ca. 5,6 Millionen an, trotz hunderttausender von Kriegstoten.) Zu diesem Zweck hieß er jegliche Religion willkommen : „Alle Religionen seindt gleich und guht, wan nuhr die Leute, so sie profesieren [(öffentlich) bekennen], erliche Leute seindt, und wen Türken und Heiden kähmen und wolten das Land pöbplieren [bevölkern], so wollen wier sie Mosqueen und Kirchen bauen“. Nun, Türken und Heiden kamen damals nicht, sondern vor allem Hugenotten aus Frankreich.

In diesem Zusammenhang fällt mir auf, dass unsere Bundeskanzler-Imitatorin möglicherweise eine gewisse Affinität zu Friedrich dem Großen hat. Der alte Fritz hatte aber mehr Geschick, denn damals kamen mehrheitlich gut gebildete und arbeitswillige Leute als Zuwanderer.

Die langsam entstehenden moralischen Prinzipien werden nun nicht mehr in einer Bibel, sondern in einem Gesetzbuch nieder geschrieben. Für die Verkündung des biblischen Rechts waren früher die Priester zuständig, die von ihrem Oberpriester (dem Papst) geleitet wurden. Auch die europäischen Könige und lokalen Herrscher waren dem Papst verpflichtet. Wenn sie – als oberste Richter – sich allzu eigentümliche Interpretationen der Bibel zu eigen machten, wurden sie zum Bischof oder Papst zitiert, welcher quasi der oberste Rechtsgelehrte war. Mit dem Buchdruck und im Zuge der Aufklärung wurde die Presse und später auch Politiker zu Verkündern des Rechts; die Priester wurden verdrängt.

Zum Ende der Aufklärung wurde der Code Civil (Code Napoleon, 1804) als französisches Zivilrecht etabliert. Es basiert im Wesentlichen auf römischem Recht, welches im 5. bis 2. Jahrhundert v. Chr. entwickelt und bis ins 6. Jhd. weiterentwickelt wurde. Auch das heutige BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) basiert darauf. Römisches Recht geriet im Mittelalter in Vergessenheit, was den jeweiligen Adligen erlaubte willkürlich eigenes Zivilrecht zu bestimmen, wie gesagt mit Ausnahme dessen was in der Bibel festgelegt war und von den Priestern interpretiert wurde. Was ein Justizminister Maas heute vertreten und aufrecht erhalten soll hat also über 1000 Jahre antike Rechtsgeschichte, sowie über 200 Jahre Neuzeitliche Rechtsgeschichte und -praxis. Mir erscheint ihm ist das nicht so bewusst, bzw. er ignoriert das mit Absicht. Wie man sieht kann man einen moralischen Codex als Rechtsnorm nicht einfach schnell mal so mit unerprobten, widersinnigen Regeln ändern. Erprobte Rechtsnormen, die langsam und methodisch über viele Generationen verbessert werden, sind essentiell für ein friedliches Zusammenleben und Grundvoraussetzung für eine funktionierende Wirtschaft.

—> weiter zu Teil 2/2

 

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4 thoughts on “Was heißt denn konservativ? [1/2]

  1. Hello, CEO Nikolic here again.

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