Behelfsmäßig aus dem Englischen (demonetization) eingedeutscht, aber jeder weiß was damit gemeint ist. Vor allem ist das derzeit bei YouTube das große Thema, meist bei solchen Vloggern, die 100% ihres Einkommens aus ihren Videos erzielen. Aber bei TichysEinblick und der ‘Achse des Guten‘ war es vor Kurzem ja auch ein großes Problem. Wir erleben eine überfällige Neuorientierung des Medien- und Werbemarktes und keiner weiß wie das zukünftige Modell aussehen wird.
Warum rede ich von einer überfälligen Neuorientierung? Nun, den meisten die ich kenne geht es ähnlich wie mir. Wir sind ziemlich genervt von der vielen Werbung die immer auf uns einprasselt. Angefangen mit den Zeitungen und Zeitschriften, die teilweise zu mindestens 1/3 aus abgedruckter Werbung bestehen, manchmal noch mit extra Werbebeilagen. Im Kino weiß man wenigstens auf was man sich einlässt wenn man 10-20 Minuten Werbung über sich ergehen lassen muss, bevor der teuer bezahlte Film endlich anfängt. Fernsehen ist für mich unerträglich geworden (nicht nur wegen der nicht mehr vorhandenen Qualität), da sogar jede Kleinserie, die netto nur 20-40 Minuten spielt, von mehreren Werbeblöcken unterbrochen wird. Manchmal ist die brutto-Spielzeit das Doppelte der netto-Spielzeit. Was mich besonders nervt ist, dass auf angeblich werbefreien Bezahlsendern dann zwar keine Produktwerbung läuft, aber stattdessen, mit gleichem Zeitaufwand, Eigenwerbung für andere Sendungen. Ganz „verspielt“ wird es dann im Internet. Ein spärlicher 800-Worte Artikel, der in Millisekunden geladen sein sollte wird von Werbebannern, einem Ad-sense Sidebar und wenn’s ganz schlimm kommt auch noch einem Pop-up so ausgebremst, dass man heute eine 20 MBit/s Verbindung braucht für Seiten, die man vor einigen Jahren noch mit 1/100 der Übertragungsrate schnell auf dem Bildschirm hatte. Gottseidank gibt’s ad-blocker.
Also ich kann mich noch an Zeitungen erinnern, in denen es extra Werbeseiten gab, also nicht zwischen die Artikel eingestreut, sondern auf eigenen separaten Seiten. Irgendwann gab es auch mal Fernsehen, bei der die Sendung komplett abgespielt wurde und dann in den 5 oder 10 Minuten bis zur nächsten Sendung halt Werbung kam. Ich kann mich problemlos 45 oder 90 Minuten auf einen Film konzentrieren, ohne Pause. Das scheint mir bei vielen jüngeren Zuschauern nicht mehr der Fall zu sein; die ‘spacen out’ nach 15 Minuten und müssen sich wohl bei Werbung die Gehirngänge wieder durchblasen lassen 😉
Ja ja, jetzt kommt der Bloggeropa wieder mit „früher war alles besser“. Bei weitem nicht alles, aber einiges schon! Es geht mir eher darum, dass die frühere Funktion der Medien, die vom ‘Parasiten’ Werbung finanziert wurden, umgekehrt und pervertiert wurde. Die Macht der Inhalts- und Programmgestaltung liegt immer weniger bei den Medienschaffenden (oder auf Englisch den content creators). Das Publikum hat die Zeitungen gelesen oder Sendungen angeschaut weil sie interessant oder informativ oder unterhaltend waren. Die Werber haben sich an derart erfolgreiche Medienschaffenden dran gehängt, weil sie durch deren Erfolg ein möglichst großes Publikum mit ihren Anzeigen und Spots erreichen konnten. Ich habe dann akzeptiert, dass jetzt halt Werbung für Damenunterwäsche kommt, obwohl mich das nicht die Bohne interessiert – außer wenn besagte Dame diese Unterwäsche vor meinen Augen lasziv abstreift 🙂
Doch die Werbewirtschaft wurde sich ihrer Macht bewusst. Das Produzieren hochqualitativer Medienerzeugnisse wurde immer teurer, aber kaum einer war bereit mehr dafür zu zahlen (was vor allem am schleichenden Nettolohn-Verfall liegt). Damit wurden die Medien fast ausschließlich von ihren Werbekunden abhängig und die haben das immer mehr ausgenutzt. Am Anfang war die BILD (aka BLÖD), aber es gibt zahlreiche andere Beispiele. Man kann jetzt von einem mit Hauptschulabschluss nicht unbedingt erwarten, dass er sich in den 15 Minuten Frühstückspause 50 Seiten FAZ reinzieht und versteht. Die kaufen so was nicht, das ist schon mal zu teuer, gibt’s nicht am jedem Kiosk und führt kaum zu ergiebigen lustigen Gesprächsthemen im Literatur-Prekariat. Bei der BILD hat man kurze, einfache, verständlich geschriebene Artikel über kleine Aufreger-Themen. Selbst wenn mal nichts interessantes passiert ist, kann man immer noch über die nackten Titten auf Seite 3 diskutieren. Und natürlich sind die wenigen Seiten knallvoll mit Werbung. Obwohl sie so billig ist wird sie meist nicht nur von einem, sondern von der ganzen Arbeitsgruppe oder Schicht gelesen – einer beim Frühstück, drei, vier beim Mittagessen, und noch einer auf dem Bus nach hause. Die BILD wird zu fast 100% durch Werbung finanziert.
Für einen BILD-Artikel braucht man auch keinen lange und teuer ausgebildeten und erfahrenen Journalisten. Man braucht jemanden, der kurze, einfache Sätze auf Hauptschulniveau schreiben kann, mit einem Wortschatz der unkompliziert und klar ausdrückt was gemeint ist. Ich will jetzt nicht sagen, dass es einfach ist einen Artikel so zu schreiben, aber die besten 10% der Absolventen des Germanistik Studiums oder der Journalistenschule braucht man dazu nicht. Ein ausgeprägtes Fach- oder Spezialwissen im Bereich Außenpolitik ist eher hinderlich, wenn man nur schreiben will, dass der gute alte Genscher mit seinen Flügelohren (haha) mal wieder zu König Abdullah geflogen ist um über Dingsbums zu verhandeln und die wahrscheinlich auf ‘dem König sein fliegenden Teppich zu Mittag essen’. Solchen „Schuurnalisten“ braucht man auch keine Spitzengehälter bezahlen, denn die gibt’s wie Sand am Meer. Die große Masse wurde mit Micky Maus Journalismus abgespeist und sie waren damit zufrieden. Die Werber ließen sich das was kosten, dass so viele Leute ihre Anzeigen sahen und die Besitzer dieser Schmuddelblätter wurden steinreich.
Wenn die FAZ mit besonders fähigen Journalisten und hohen Kosten eben nur einige 100-tausend Leute erreicht, die dann die Werbung auch sehen ist das nun mal persönliches Pech der FAZ. Wenn die BILD es schafft 10 oder 50 mal so viele Leute zu erreichen mit niedrigeren Kosten, dann ist doch klar wer der Gewinner der freien Marktwirtschaft ist. Der Herr Oberstudienrat hat genau so dreckige Unterhosen wie der Maurer, und Klementine sagt beiden seit gefühlten 120 Jahren wie man die wieder weiß kriegt.
Ernsthafte Journalisten sahen also ihre Felle davon schwimmen und vor allem Zeitschriften verlegten sich mehr und mehr auf Sensations-Journalismus (Hitler-Tagebücher, Weltuntergangs-Phantasien usw.). Nach meiner Erinnerung ging es dann mit dem ‘Focus’ nur noch in Richtung Meinungs-Journalismus. Bis in die 80’er wurde ‘Der Spiegel’ noch ernst genommen und die Politiker hatten die Hosen gestrichen voll, wenn sie ein Spiegel Reporter an die Wand genagelt hat. ‘Focus’ warb mit Fakten, Fakten, Fakten, was aber drin stand war nur Meinung, Meinung, Meinung, geschickt mit vielen Bildern und Grafiken verpackt. Der Spiegel war nie frei von Meinungen (und wenn dann waren die stramm links), hatte aber immer ausreichend qualifizierte Journalisten, die wertneutral die Tatsachen aufbereiteten. Der Focus war von Beginn an eindeutig neoliberal und zielte auf die gut verdienenden Yuppies der Großstädte.
Aus der Wikipedia: In einer Studie der TU Dresden von 2014 wurde die Synchronisation von Nachricht und Werbung untersucht. Ergebnis war, „dass über Unternehmen sowohl im Spiegel als auch im Focus erstens häufiger, zweitens freundlicher, drittens mit mehr Produktnennungen berichtet wird, je mehr Anzeigen diese Unternehmen schalten“.
Lange Rede, kurzer Sinn, inzwischen bestimmt die Werbewirtschaft was wo geschrieben wird. Micky Maus Journalismus wie in der BILD und Meinungs-Journalismus wie in Spiegel, Focus etc. bringen Auflagen und positive Empfindungen gegenüber den Unternehmen die darin werben. Ähnliches ist im Fernsehen passiert. Wer kennt z.B. noch Bernhard Grzimek, dessen Dokumentationen sehr beliebt waren und im Haupt-Abendprogramm liefen. So etwas darf heute nur noch in Spartenkanälen und spätnachts laufen. Gibt es heute noch eine Sendung wie das ‘ZDF-Magazin’ in der Gerhard Löwenthal von 1969-1988 immer wieder der marxistischen Agitprop entgegen trat, auch während und gerade trotz der Kanzlerschaft von Willy Brandt? Ich sehe nur noch weichgespülte Merkel-Propaganda in den politischen Sendungen.
Doch das Volk ist nicht ganz so blöd wie es die Politiker und Werbeindustrie gerne hätte. Die Auflagen der Zeitungen und Zeitschriften gehen immer stärker zurück. Fernsehen wird vorwiegend noch von Arbeitslosen, prekär Beschäftigten und allein-verziehenden Müttern geschaut. Für viel mehr als Waschmittel, Zahnpasta und Tütensuppen kann da mangels verfügbarer Geldmittel der potentiellen Kunden kaum geworben werden. Immer mehr suchen nach Information und Unterhaltung im Internet, bei YouTube und Co. Doch gerade bei YouTube steuert die GEMA dagegen so viel sie kann. Die schießen mit Copyright strikes jeden deutschen Kanal nieder, der denen nicht passt. Wer aber Englisch kann wird mit Angeboten überflutet. Und siehe da, man findet eine Vielzahl von Dokumentationen, man findet fachspezifische Infos bis hin zu Uni-Vorlesungen. Und vor allem gibt es politische Analysen von extremem Bias in allen Richtungen, bis zu neutral, trocken, analytisch.
Natürlich sind bei den Milliarden von Videos auch einige dabei, bei denen sich mir die Schnürsenkel aufrollen. Neben IS Videos gibt es auch einige von richtig durchgeknallten Neo-Nazis. Das sind so 0,0000…und noch ein paar Nullen…0001 %. Und über diese handvoll Videos regen sich jetzt angeblich alle auf und deshalb wird YouTube von der Werbebranche das Geld entzogen. Das ist richtig heftig, in der Größenordnung von knapp 1 Milliarde USD, also ca. 1/6-1/3 ihres Umsatzes. Wenn das anhält gehen die Pleite, denn sie machten sowieso noch nie Gewinn. Kein Wunder drehen die jetzt am Rad.
Inzwischen gibt es immer mehr Blogs und YouTube Kanäle, die sich die Mühe machen Fakten zu suchen und aufzubereiten ohne von vorne herein alles auszuschließen was in ihr ideologisches Weltbild nicht hineinpasst. Einige davon habe ich auf meiner Link-Seite gelistet. Diese werden inzwischen nicht mehr nur von einer ‘Randgruppe’ von einigen hundert oder tausend Leuten rezipiert, sondern von hunderttausenden angesehen. Neben einigen wenigen, die originäre Inhalte produzieren, gibt es inzwischen unzählige, die einfach auf den fahrenden Zug aufgesprungen sind. Vor allem die Nachahmer und Trittbrettfahrer jammern jetzt über die nicht mehr vorhandenen Werbeeinnahmen. Die Leute, die eigenständiges, innovatives Gedankengut kreativ erzeugen, haben ein Geschäftsmodell als Grundlage, welches nicht von Werbung abhängig ist. Jemand wie z.B. Stefan Molyneux lässt Werbung auf seinem Kanal erst gar nicht zu, um, wie er selbst sagt, nicht Gefahr zu laufen sich selbst damit zu korrumpieren.
Die potentiellen Werbeeinnahmen eines Molyneux dessen Videos vielleicht 200k mal angesehen werden verblassen auch gegen Kanäle, die vorwiegend mit Clickbait arbeiten. Ein Video mit dem Thema „Top 10 reichsten Menschen der Welt“ oder „Top 10 der schönsten Frauen/Männer/Hunde“ oder „Must see: Skandal jaddajadda“ werden 20 Millionen mal angeclickt. Die können nur von Werbung leben, da kein anderes Geschäftsmodell praktikabel wäre. Aber genau dieses Bild-Zeitungs-Niveau transportiert Werbung sehr effizient an viele viele Leute. Von diesem Clickbait lebt YouTube, alles andere ist nur „Dekoration“. Deren Geschäftsmodell ist es dass Medienschaffende Inhalte produzieren ohne dafür direkt bezahlt zu werden und für ihre Mühen knapp über 50% der Werbeeinnahmen erhalten. Was für YouTube also Dekoration ist, d.h. Kanäle die nicht mit Clickbait arbeiten, sondern qualitativ bessere Inhalte anbieten, sind nur dann etwas für YouTube wert, wenn sie das ‘Image’ von YouTube verbessern. Wenn dem Publikum klar wäre, dass Google vorwiegend über Clickbait Werbung verhökert, dann würden sie sich das nicht antun, und zwar genauso wie sich viele die Zeitung, Zeitschrift und das Fernsehen nicht mehr antun. Die intelligenteren Leute merken wenn sie verarscht werden, wenn ihnen nur noch Dreck und Müll vorgesetzt wird, aus dem einzigen Grund damit sie die Werbung anschauen.
Jetzt ist Google halt in der Zwickmühle. Einerseits brauchen sie ‘content creators‘ die von der wahren Natur des Geschäftsmodells ablenken und damit Google/YouTube ein positives ‘Image’ bescheren. Andererseits ist die Gesellschaft inzwischen extrem gespalten in ihrer Ansicht was ein positives oder ein negatives ‘Image’ darstellt. Für Linke, Feministinnen und Postmoderne ist alles was auch nur etwas rechts von ihnen steht ein rotes Tuch und erzeugt eine negatives ‘Image’ von Google. Am liebsten wäre denen wenn Google alles was ihnen nicht beipflichtet sperrt und löscht. Das kann Google nicht machen, denn sonst wären sie eine marxistische Propaganda-Plattform, die 50-70% der Leute nicht nutzen würden. Was aber geht ist denen, die „rechtes Gedankengut“ produzieren (also alles was nicht stramm links ist) die Werbeeinnahmen zu nehmen. Auf diese Weise werden die Trittbrettfahrer der konservativen, rationalen Kanäle und der Pepe-Kultur in Kürze verschwinden. Ohne Werbeeinnahmen müssen die sich wieder einen regulären Job suchen um die Miete zahlen zu können.
Extrem Linke, feministische und postmoderne Kanäle haben kaum etwas zu befürchten. Bei den Konservativen und klassischen Liberalen gibt es keine Empörungskultur die darauf mit Boykottaufrufen reagiert. Das ist auch ein Hinweis darauf, wer wirklich tolerant ist und wer Toleranz immer nur von anderen einfordert.
Die politische Meinungsbildung aller die nicht stramm links sind wird also disinzentiviert durch fehlende Werbeeinnahmen, was zu einer Bereinigung, zu einem Gesundschrumpfen und einer Konzentration auf das Wesentliche der Konservativen und klassischen Liberalen Kanäle führen wird. Das muss jetzt gar nicht schlecht sein, denn mit den Grundprinzipien der Marktwirtschaft haben eigentlich nur die Linken ein Problem. Dennoch muss man die Werbetreibenden und vor allem die Produzenten der beworbenen Waren darauf hinweisen, dass deren Werbeausgaben über den Produktpreis von jedem Kunden bezahlt wird, egal welcher politischen Meinung dieser Kunde ist. Wenn sich also z.B. Audi dazu entschließt bei angeblich „rechten“ Medienschaffenden keine Werbung zu schalten, aber bei Linken aller Couleur das tut, müssten Konservative und Liberale konsequenterweise einen Discount von 10-15% auf den Produktpreis bekommen (das ist die Größenordnung des Werbeetats am Umsatz). Das ist natürlich unrealistisch, aber die einzige Alternative wäre, dann eben von solchen Firmen, die politisch nicht neutral sind, gar nichts mehr zu kaufen.
Ich besitze leider die falsche Glaskugel um vorauszusehen wie sich der Werbe- und Medienmarkt in Zukunft verändern wird. Da sich die sogenannten „rechten“ Medien aber mit der Benachteiligung durch die Werbeindustrie herumschlagen müssen und gezwungen sind neue, innovative Geschäftsmodelle zu entwickeln, werden diejenigen die am Ende erfolgreich überleben zu den stärksten der Branche gehören und langfristig Vorteile haben.
Hard times create strong men. Strong men create good times. Good times create weak men. Weak men create hard times.
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